Skip to content

Madrilenen, ihr Nachtleben und ihre Prüfungen

     

    An dieser Stelle mal wieder ein kleines Update. Eigentlich wollte ich am Wochenende mal so richtig NICHTS tun, aber wie es halt so kommt, Samstag konnte ich wie immer eine Einladung zum Mittagessen nicht ausschlagen. **lecker** Samstag Nacht war dann wieder ausgehen angesagt, bloß diesmal mit einem völlig unerwarteten Ausgang. "Huertas", die Samstag nachts sonst vollkommen überfüllte Party-Straße, war selbst um kurz vor eins noch fast vollkommen leer. Die Erklärung folgte auf dem Fuß. Die Madrilenen haben jetzt entweder aufs Abitur oder ihre Uni-Prüfungen zu lernen. Faszinierend, so diszipliniert hätte ich sie mir nicht im Traum vorgestellt. Na ja, mangels Leuten sind wir dann wieder frühzeitig nach Hause gestiefelt.

    Sonntag dann bis um zwei Uhr Nachmittags gepennt und habe mich danach trotz meinen schlechten Vorsätzen in Richtung Retiro aufgemacht. Mein Reiseführer hat mir noch ein paar protzige Gebäude mit viel Natur und die weltweit einzige Statue von Luzifer/Angel Caído (-> dem "gefallenen Engel") versprochen. Außerdem hat die Buchmesse im Retiro ihre Zelte aufgeschlagen.
    So weit so gut, dann habe ich mich erst mal ne Weile rund um den Palacio de Cristal rumgetrieben, den Link zu den Fotos gibts weiter unten und nein, ich habe immer noch nicht weiterprogrammiert. Zwischendurch habe ich dann die Stände der Buchmesse gefunden, alles war geschlossen, hab mir nichts dabei gedacht, schließlich ist Sonntag und Spanien katholisch. Danach dann den Angel Caído gesucht und auch gefunden. Kurz vor fünf höre ich ein immer lauter werdendes Treiben von den Ständen der Buchmesse, tatsächlich: die machen die Stände auf. Ich erinnere mich an meinen Reiseführer, der voll Weisheit sprach, dass die Spanier ihre MITTAGSpause (-> siesta) streng einhalten. Was es da alles zu kaufen und anschauen gibt. Neben unzähligen Buchhandlungen und Verlagen gibt es Dutzende Comicläden, ein Stand nur über Schachliteratur, eine deutsche und eine italienische Buchhandlung und ein paar komische Gestalten, bei denen ich so tolle Bücher wie "Französische Freiwillige in der Waffen-SS" und "Der andere Franco - Sein Leben und sein Land" kaufen kann. "Mi lucha" von einem sehr bekannten Autor habe ich nicht gefunden, obwohl ich neulich jemandem im Bus gesehen habe, der es anscheinend voll Interesse verschlungen hat. So viel zu den ewig Gestrigen.

    Ein spanisches Buch, das es noch in keiner deutschen Übersetzung gibt, klingt seeehr spannend, das aber vielleicht in einem Monat, wenn ich ein bisschen fitter in der Sprache bin. Leider finde ich keine einzige englische Buchhandlung, bei der ich meinen Lesedurst stillen kann... EIn paar Stände haben eine Pseudo-Ecke mit den üblichen Bestsellern, die ich entweder schon kenne oder mich nicht interessieren. Zwei Stunden, 350 Stände später und nur 1,80 Euro ärmer (-> DISZIPLIN) trotte ich dann total kaputt in Richtung Pluerta del Sol, um mich im Internet zu erkundigen, ob die Franzmänner wirklich die EU-Verfassung abgelehnt haben. Dabei springt mir ein riesiges Ratzinger-Plakat ins Auge, das hatte mindestens 50x20 Meter Größe. Darüber hinaus wird der Platz eingezäunt. Nach dem Stillen meines riesigen Kohldampfs frage ich neugierig bei den Einheimischen nach und ich werde erleuchtet: Es ist ein katholischer Feiertag, nämlich Corpus Christi (zu deutsch Fronleichnam, was bei uns am Donnerstag war), weswegen hier ein riesiges Gedöns gemacht wird. Da bereits halb neun ist und ich die Stunde bis zum Beginn nicht mehr warten wollte, bin ich MÜÜÜDE nach Hause gefahren...

    Die ETA verhandelt wieder...

    Es verspricht noch eine ereignisreiche Woche zu werden, wenn sie es nicht schon ist. Sonntag/Montag die Ankündigung von Neuwahlen in der Heimat und gestern geht zwei Kilometer vom SAP-Bürogebäude entfernt eine Autobombe der ETA hoch. Über 50 Menschen wurden verletzt, zum Glück kam kein Mensch ums Leben. Mir geht's gut, ich habe davon nichts mitbekommen, bis Uli mir ne Mail geschickt hat. Danke an dieser Stelle nochmal für die Sorge um mich. :-)

    Ja, nach der Arbeit habe ich wie jeden Tag am Ausgang der Metro-Station ein Revolver-Blättchen in die Hand gedrückt bekommen. Auf der Titelseite groß: "So verhandelt ETA" und ein Bild der zerstörten Autos. Na ja, das Blatt war auch schon die vergangenen Wochen nicht auf Verhandlungskurs (wie die Regierung Zapatero) und wird es auch nie werden. Bin gespannt, wie es hier in Spanien in Sachen ETA weitergeht. Will die Regierung weiter verhandeln und steht uns ein heißer und explosiver Sommer bevor? Ich hoffe nicht, man darf gespannt sein.

    Assi-Prüfung vs. Wahlkampf

    Die Nachwehen des Sonntag Abends sind immer noch zu spüren, selbst hier im sonnigen Madrid bei konstanten 30 Grad im Schatten. Jetzt ist es endgültig raus, es gibt Neuwahlen, wahrscheinlich am 18. September. Ein ganz schlechter Zeitpunkt. Die spannende Phase der Kandidatenkür und Programmdebatten hat schon begonnen und ich bin in Spanien. Die heiße Phase des Wahlkampfs danach und ich muss für die Assi-Prüfung lernen. Vier Tage nach der Assi-Prüfung dann die Bundestagswahl. Wenn das mal keine Woche mit ausschließlich bösen Nachrichten wird.

    Na ja, so weit ich das hier über Internet und Zeitungen mitbekommen habe, überschlagen sich die Kommentatoren allerorten mit Analysen, Meinungen und Prophezeiungen, wie es eben immer so ist, nach einem „politischen Erdbeben“. Fast alle sind sich einig, Schröder habe einen intelligenten Schachzug gemacht, Schröder sei in die Offensive gegangen, habe seine letzte Option zum Handeln ausgeschöpft. Doch um welchen Preis? Welches Ziel verfolgen Schröder und Müntefering? Wollen sie die SPD einen, die Linken und Rechten in der Partei ein letztes Mal auf Linie bringen? So fern sie dieses wollen, kann diese Einigkeit wohl nur von langer Dauer sein, wenn das Unmögliche eintritt und die Wahlen im Herbst gewonnen werden. Danach würde sonst das große Schlachten beginnen. Die Linke würde die Niederlage auf die Agenda 2010 schieben, die Rechte auf die Zerstrittenheit in der Partei. Weder Müntefering noch Schröder würde dieses Armageddon politisch überleben. Wer folgt danach? Da die Linke um Ottmar Schreiner wohl nie die Mehrheit in der Partei erhalten werden, Lafontaine heute endgültig ausgetreten ist, und die aktuelle Führungsriege aus meiner Sicht beinahe komplett Format und Klasse verloren hat, wäre mein Geheimtipp Peter Struck als neuer erster Mann in der SPD. Er hat als einziger SPDler in der Regierung an Ansehen gewonnen und ist weitgehend unbelastet von der Agenda.

    Ja, ich bin hier extrem pessimistisch, aus meiner Sicht hätte die Schröder-Entscheidung nur etwas gebracht, wenn es gleichzeitig einen personellen Neuanfang im Kabinett und evtl. eine politische Korrektur gegeben hätte. Mit den gleichen abgewirtschafteten Gesichtern, ich sage nur Eichel, Stolpe und Clement ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

    Auch bei den Grünen sieht's durchwachsen aus. Unser Flaggschiff Fischer will es nochmal wissen, ohne Kurskorrektur, ohne neue Gesichter, aktuell noch ohne deutlicheres Profil. Wobei ich mir bei den Grünen nicht mal so sicher bin, dass sie so sehr unter der Neuwahl mit Visa-Affäre zu leiden haben werden, wir werden sehen, hier sehe ich noch Licht am Ende des Tunnels.
    Nun ja, so sieht es aus in Deutschland. Dem Kanzler geht es um einen Abgang mit Pauken und Trompeten und der Opposition um die absolute Macht im Land. Die Probleme des Landes werden diese Verhaltensweisen weder heute, noch im Herbst noch in zwei Jahren lösen. Das Problem ist grundsätzlicher Natur. In Deutschland wird von allen Seiten lieber blockiert, protestiert und inszeniert, als dass man was gegen die Probleme unternehmen würde.

    So sehen es beispielsweise auch die Kommentatoren der spanischen Tageszeitung El País, die der Situation in Deutschland heute einen Artikel auf Seite 1, sowie die kompletten Seiten 2-4 gewidmet haben. Neben der üblichen Berichterstattung wird hier unser System von Bundestag und Bundesrat ausführlichst erklärt, sowie die wesentlichen Punkte Agenda 2010 aufgelistet. Endlich weiß ich, was „Ich AG“ auf Spanisch heißt -> „Yo S.A.“ LOL Auch für die Übersetzung des Arbeitslosengeldes II -> „subsidio de desempleo II“ gibt's von mir ein fettes thumbs up

    Was aber absolut ins Schwarze trifft ist der Kommentar eines (anscheinend deutschsprachigen -> kein Original-Spanier heißt Hermann Tertsch) Journalisten, der kurz über das Problem der Wiedervereinigung und die unterschiedlichen Mentalitäten in Deutschland eingeht, dann aber ans Eingemachte geht. Deutschland habe aktuell sicher die mittelmäßigsten Politiker seit der Gründung der Bundesrepublik 1949. Meine volle Zustimmung. Nach Schröders Aktion vom Sonntag halte ich nur noch Fischer für einen Mann vom Schlage eines Adenauer, Brandt, Schmidt oder Genscher. Nachwuchs kommt keiner, das Grinsekatze-Babyface Westerwelle ist einfach nur lachhaft, die farblose Physikerin, die sich anschickt, die erste Bundeskanzlerin zu werden, weiß vielleicht, wie man es in einer Partei möglichst allen recht machen kann, ein Land zu führen traue ich ihr aber nicht zu. Tertsch führt weiter aus: Die brilliantesten Köpfe fliehen und suchen ihr Heil jenseits der Grenzen, während Deutschland zu einem Land von Millionären, einer ärmer werdenden Mittelschicht, einer wachsenden Unterschicht und einer beträchtlichen Anzahl Armer, speziell im Osten wird. Die Gründe, die er hierfür anführt, teile ich nur zum Teil. Seiner Ansicht nach war der größte Teil der Intelligenz während des 3. Reichs ausgelöscht oder vertrieben worden, eben vornehmlich Juden. Damit mag er Recht haben, er hat nur das beispiellose Wirtschaftswunder danach absolut vergessen. Weiter geht's mit dem berühmten deutschen Pessimismus und Deutschlands Rolle in der EU, nichts wirklich Neues. Das Fazit dafür aber als Schluss dieses langen Textes unkommentiert: Offensichtlich sei es, dass sich das Problem Deutschlands nicht mit dem Wechsel von Personen oder Parteien an der Spitze lösen lasse. Das Problem wurzele im Seelenzustand des Bürgertums, in diesem historischen Fluch, in der deutschen Manie zum ewigen Kreislauf.

    Feigheit vor dem Feind

    Die gute Meldung mal zu Beginn: Star Wars: Episode III war erstklassig, entschädigt vollkommen für den laschen zweiten Teil. Nur ein Wermutstropfen: Die Rolle der Padmé. Ich weiß nicht, was George Lucas so geritten hat, Natalie Portman so eine schwache Rolle ins Drehbuch zu schreiben. Aber schaut ihn selbst an, es lohnt sich.

    Ja, gleich nach Star Wars bekam ich einen Anruf aus der Heimat. So wie es aussieht, holt einen die Realität schneller ein, als man manchmal denkt. Die schwarze Republik kommt, jetzt sogar ein Jahr früher und mit großer Mithilfe der Regierung. Schröder und Münte wollen ein Mandat vom Wähler und dazu das Patt zwischen Bundestag und Bundesrat brechen. Toll, eine klassische Aufforderung dazu, die Opposition zu wählen. Der logisch denkende Bürger kann nichts anderes schlussfolgern, denn es wird nunmal nur der Bundestag neugewählt. Also schaffen wir hier die gleichen Mehrheitsverhältnisse wie im Bundesrat und schwupps haben wir die Probleme gelöst.
    Jungs und Mädels von Rot-Grün, ihr habt ein Mandat vom Wahlvolk für vier Jahre, nicht mehr aber auch nicht weniger. Mit diesem Mandat und mit den gegebenen Umständen muss man sich arrangieren, auch wenn es schwer fällt. Jetzt den Schwanz einzuziehen und sich feige auf die Oppositionsbank zu setzen, ist die absolute Kapitulation vor dem Feind und ein krasser Vertrauensbruch.
    Die "Linken" bei Rot und Grün dürften schon jubilieren, nach verlorerer Wahl können sie wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen, Demonstrieren und Meckern ohne sinnvolles Gegenkonzept. Die Turbokapitalisten aus den schwarzen und gelben Reihen ebenfalls, sie dürfen den Staat nach ihrem Muster umformen und können sich auf sogar auf ein breites Wählervotum stützen.
    Trotz allem: Stand up and fight!

    Quo vadis Deutschland?

    So, jetzt ist es raus. Die NRWler haben den "Kinder statt Inder"-Rüttgers zum Regierungschef gewählt. Nicht, dass es eine allzugroße Überraschung gewesen wäre, eine große Enttäuschung ist es auf jeden Fall. Die schwarze Republik rückt Stück für Stück näher, die Leute wählen eine unsozialere Zukunft, ohne es zu merken, wen sie da auf den Thron setzen. Willkommen in der Ellenbogen-Gesellschaft, willkommen zu kompletter "Eigenverantwortung" in Gesundheit, Rente und Bildung. Ich hoffe, die Leute merken vor dem Herbst nächsten Jahres, welche Wahl sie wirklich haben. Hoffentlich merken sie, dass sich so viel weniger Staat wirklich nur die Oberschicht leisten kann. Die konsequente Weiterentwicklung dessen kann man im Roman "Jennifer Government" nachlesen.

    Doch genug der Politik, auch dieses Wochenende war mal wieder klasse. Madrid hat eben einiges zu bieten. Am Samstag gabs erst mal leckere Paella zum Mittagmampf bei der befreundeten Familie. Am Abend gings dann zum ersten Mal ins Madrider Nachtleben. Zum Einstimmen für einen gewöhnlichen Deutschen haben wir uns extra früh, nämlich um halb elf getroffen und sind dann in nen Club getigert. Und wie angekündigt: Nix los. Die meisten kamen erst so ne halbe Stunde später, aber was da so alles hereingeschneit kam: Holla die Waldfee! Nur ein Kommentar dazu: Die spanischen Mädels werden ihrem Ruf absolut gerecht. Zur Musikauswahl kann man auch nur hervorragend sagen, fast nix von dem üblichen Chartgedöns, erfrischend gute Musik aus Spanien. Mir wurden dann noch zwei weitere kleine Bars gezeigt, dort ein ähnliches Bild, auch wenn die Musik im ersten deutlich besser war. Nach Hause gings dann auch extra früh um kurz nach zwei, kommende Woche gibts dann wahrscheinlich das Komplettprogramm bis morgens...

    Ja heute dementsprechend lange gepennt, und den zweiten Teil der Lonely Planet-Citytour gemacht. Natürlich mit einem ausgedehnten Aufenthalt im Retiro. Dieser Park ist eines der schönsten Fleckchen Erde, was mir bisher unter die Augen gekommen ist. Bilder dazu gibts dann wahrscheinlich morgen oder übermorgen.

    So, jetzt ist auch gleich Schluss. Nachher geht's noch in Star Wars III, zum Glück in der Originalfassung, man darf gespannt sein...