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Spaniens Größenwahn

     

    Hallo wieder mal. Auch die letzten Tage waren wieder recht ereignisreich, beginnen wir mal mit zwei weiteren Filmen auf dem deutschen Filmfestival, die ich mir noch gegönnt habe. Hinter dem Titel „Die Edelweißpiraten“ könnte man jetzt allerhand vermuten, vom Heimatfilm bis zum deutschen Remake vom „Schatz der Karibik“, ist es aber alles nicht. Dabei geht's um die gleichnamige Widerstandsgruppe im 2. Weltkrieg, die ausschließlich aus Jugendlichen bestand. Und es ist kein üblicher Doku-Quark à la „Hitlers Klassenkameraden“, sondern ein richtig deftiger Film, der das Dritte Reich in all seinen grausamen Details zeigt. Nach den 90 Minuten bin ich leicht verstört aus dem Kino rausgegangen, das hat noch kein Film vorher geschafft. Dem Regisseur habe ich dann nur zu gerne persönlich gratuliert.

    Als dritten Film gab's dann noch leichte Kost am Freitag: „Alles auf Zucker!“ Eine klasse Komödie über einen gescheiterten Ost-Spielertyp und ein ultraorthodoxer West-Jude, deren Familien nach dem Tod der gemeinsamen Mutter unter jüdischen Spielregeln zusammenfinden müssen, um an die Erbschaft zu kommen.

    Samstag dann wieder das leckere spanische Essen bei Adolfos Familie. Hierbei gleich die Einladung, am Abend (also ab etwa Mitternacht) mit seinen Freunden zu feiern, die das Abi (spanisch: selectividad) gerade hinter sich gebracht haben. Auf meinen Einwand, dass ich Sonntag nach Toledo wollte, ganz locker: Dann fahren wir eben kommenden Samstag alle nach Toledo, da habe ich dann natürlich gleich zugesagt. :-D

    Ja, die Nacht war dann wirklich lustig. Anzumerken ist, dass die Mädels und Jungs das Ganze im Stadtteil Chueca gefeiert haben. Nach wenigen Minuten wurde mir klar, wieso das ein bisschen ein „anderer“ Stadtteil ist... Mein erster wirklicher Kulturschock! ;-) Gut, erstmal ein bisschen „Club-Hopping“ gemacht, das Jungvolk hat sich so gegen zwei vom Acker gemacht, ich bin dann so gegen drei übelst müde geworden. Verdammt, ich bin das einfach nicht gewöhnt. Dafür war's wirklich mal was anderes, außerdem ein sehr günstiger Abend, mein einziges Getränk gab's vom Barkeeper geschenkt. Ist mir in Deutschland noch nicht passiert, vielleicht besuche ich die falschen Bars...

    Zu Hause ist mir dann klar geworden, dass ich ohne konkrete Pläne am Sonntag wahrscheinlich den ganzen Tag im Bett oder in dessen Nähe verbringen würde, was ich eigentlich erst wieder in Deutschland machen wollte. :-D Also habe ich dann um halb vier im Reiseführer noch ein Alternativziel entdeckt: El Escorial, etwa 60 Kilometer von Madrid und bequem per Bus zu erreichen. Gut, Wecker auf 8 Uhr gestellt und morgens dann schlaftrunken um 10 Uhr mit dem Bus zum wohl bonzigsten Kloster Spaniens gefahren.

    Das Teil ist 210 Meter lang und der erste von zwei Protzbunkern des Tages. Nachdem ich mich durch Dutzende Rentner durchgekämpft hatte und dank meines BA-Ausweises (!) zu billigerem Eintritt gekommen bin, hab ich mir dann das schicke Innenleben angeschaut. Atemberaubend, was da alles rumsteht. Die besten Bilder aus der Gemäldegalerie findet ihr wie immer bei meinen Fotos, darunter blutrünstige Szenen, ein etwas dickes Jesuskind und ein spanischer König mit dicker Lippe. In einem Saal war die ganze Wand mit Schlachtszenen vollgepinselt. Orhan, schau mal auf die Fahnen, wer da gerade eingekesselt wird. :-D Nach einem Blick auf den Vorgarten gings dann in die Gruft, wo seit geraumer Zeit alle Ex-Königinnen und Ex-Könige in Sargschränken aufbewahrt werden. Nach einem kurzen Blick in die Bibliothek und die angeschlossene Kirche ging's dann langsam zum Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen).

    Hier war Franco (der Fascho, der Spanien bis 1975 beherrscht hat) so großzügig und hat die Unterlegenen des Bürgerkriegs den zweiten Protzbunker des Tages in „freiwilliger Arbeit“ erbauen lassen. Natürlich zum Gedenken an alle Gefallenen des Bürgerkriegs. Nur eben komisch, dass nur Franco und sein Vorgänger vor dem Altar begraben sind und hier verehrt werden. Und das ist kein Scherz! Die Bilder vermitteln einen kleinen Eindruck davon, was für eine Stimmung in dieser „Basilika“ herrscht. Düster und martialisch. Der Eingang könnte aus Return to Castle Wolfenstein sein, danach ein langer Gang mit Wandteppichen mit Szenen aus der Apokalypse und Altären, die die Schutzpatronen des Heeres, der Luftwaffe, der Marine, der Gefangenen und die „des Beginn des Krieges“ verehren. Auf dem Altar ein riesiges Kruzifix, dahinter Francos Grab, schön mit einem Blumenkranz geschmückt und hintendran laufen die Omis und Opis vorbei, verneigen sich, bekreuzigen sich und fallen fast auf die Knie vor Ehrfurcht. Außerdem werden hier täglich Messen gefeiert. Das alles ist in Spanien kein Problem, wo immer noch ein Militärkrankenhaus und jede Menge Straßen nach Franco und seinen Spießgesellen benannt sind. „Vergangenheitsbewältigung“ mal anders.

    Ach ja: Auf den Bildern fällt Euch sicherlich das riesige Kreuz auf dem Berg auf. Ihr macht Euch keine Vorstellung, wie groß das wirklich ist. Kilometerweit zu sehen und man kann sogar mit einer Art Seilbahn hochfahren, um den Blick besonders genießen zu können. Den hatte ich schon vom Fuß aus, die 2,50 Euronen hab ich mir da gerne gespart. Zum Hochlaufen fehlte sowohl Zeit als auch Kraft (müüüüde) und besonders das richtige Schuhwerk.

    So, der Ausflug war absolut genial, einfach wahnsinnig, was die Spanier im Mittelalter und in der Neuzeit so hingestellt haben! Nur die Hintergründe des Spektakels nicht vergessen...

    So, ich gehe jetzt auch endgültig ins Bett, nach vier Stunden Schlaf und dem ganzen Tag auf den Beinen wundere ich mich eigentlich, wie ich das noch schreiben kann. Viel Spaß mit den Bildern und Impressionen von Spaniens beeindruckendem Größenwahn aus zwei ganz verschiedenen Epochen.

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